Europa zu Gast – der HORATIO-Kongress in Berlin
Tagungsbericht Horatio 2025 Berlin

Dr. Kirsten Kappert-Gonther
Was 2020 pandemiebedingt noch verschoben werden musste, wurde nun – fünf Jahre später – endlich Wirklichkeit: Vom 15. bis 17. Mai 2025 richtete die Deutsche Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege – DFPP e.V. in Berlin den ersten Horatio Kongress auf deutschem Boden aus. Unter dem Motto „Complex Interventions in Mental Health“ kamen psychiatrisch Pflegende aus ganz Europa zusammen, um sich über vielfältige komplexe Interventionen in Praxis, Forschung und Ausbildung auszutauschen. Eröffnet wurde der Kongress mit Grußworten von Aisling Culhane (Präsidentin von Horatio), Dorothea Sauter (Präsidentin der DFPP) sowie der ehemaligen Vorsitzenden des Gesundheitsausschuss und 1. Vorsitzende der Aktion Psychisch Kranke (APK) e.V Dr. Kirsten Kappert-Gonther.
Komplexität in der psychiatrischen Versorgung – Impulse der Keynotes
Die sechs Keynotespeaker:innen beleuchteten das Kongressmotto aus unterschiedlichen Perspektiven und verbanden dabei Forschung, Praxis und persönliche Erfahrung:

Prof. David Richards
Prof. David Richards aus Norwegen eröffnete mit der Frage, wie nützlich Forschungsergebnisse für Entscheidungsträger:innen sind, und stellte eine überarbeitete Version des „Medical Research Council Framework for Complex Interventions“ vor. Anschließend veranschaulichte Sabine Rühle-Andersson aus der Schweiz auf Grundlage ihrer persönlichen Betroffenheit und akademischen Arbeit, wie sich gelebte Expertise und wissenschaftliche Perspektive zusammengeführen lassen, um Forschung menschlicher und relevanter zu gestalten. Jacqueline Rixe (Deutschland) zeigte, wie gemeinsame Krisenpläne als bilaterale Vereinbarungen zwischen Patient:in und Behandlungsteam Selbstbestimmung fördern und Zwangsmaßnahmen vermeiden helfen – ein Feld, in dem Pflegefachpersonen eine zentrale Rolle übernehmen können.

Prof. Ralph Möhler
Am zweiten Tag berichtete Dr. Rikke Jørgensen aus Dänemark über die Bereitschaft von Pflegefachpersonen, Veränderungen anzunehmen sowie ihre Reaktionen auf komplexe Interventionen. Dabei stellte sie die Ergebnisse ihrer begleitende Analyse zur Einführung der Methode „Guided Self Determination“ vor. Prof. Gisli Kort Kristofersson (Island) stellte die Frage, wozu Advanced Practice Mental Health Nursing gut ist und argumentierte für eine flexible, aber klar strukturierte Weiterentwicklung dieser pflegerischen Expert:innen-rolle.
Zum Abschluss des Kongresses zeigte Prof. Ralph Möhler (Deutschland), wie Prozessevaluationen helfen, Ursachen für Erfolge oder Misserfolge bei Interventionen zu identifizieren, und diskutierte methodische Ansätze und typische Hürden.
Vielfalt der psychiatrischen Pflege in Europa

Networking
Das Programm spiegelte die Vielfalt der psychiatrischen Pflege in Europa nicht nur durch seine umfangreiche Anzahl, sondern auch durch die abwechslungsreichen Inhalte wider: In bis zu fünf parallelen Sessions fanden insgesamt 79 Vorträge, drei Symposien und sieben Workshops statt. Außerdem wurden 23 wissenschaftliche Poster ausgestellt. In den unterschiedlichen Formaten präsentierten Pflegefachpersonen ihre Forschungsergebnisse, stellten Interventionen und Methoden vor und berichteten von innovativen Projekten sowie praktischen Umsetzungserfahrungen. Die Themenpalette war ebenso breit gefächert wie die Herkunft der mehr als 100 Referierenden und rund 270 Teilnehmenden aus 20 europäischen Ländern sowie Kanada. Dabei kamen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in den Ansätzen zur Sprache – und genau diese Vielfalt machte den Kongress und den fachlichen Austausch besonders abwechslungsreich, lehrreich und bereichernd.
Abseits des Programms – der „Horatio-Spirit“
Dass ein derart umfangreiches Programm etwas Besonderes ist, steht außer Frage. Ebenso hervorzuheben ist jedoch die einzigartige Atmosphäre, die der Horatio-Kongress mit sich brachte. Diese war schon spürbar, bevor die Tagung überhaupt begann: Am Vorabend fand in einem Berliner Lokal ein „Meet and Greet“ statt, bei dem sich viele Teilnehmende herzlich über das Wiedersehen freuten, während auch „Horatio-Neulinge“ direkt willkommen geheißen und integriert wurden. Es entwickelte sich ein lebhafter Austausch, bei dem auch vermeintliche sprachliche Hürden schnell überwunden werden konnten.
Diese besondere Stimmung setzte sich am Abend des zweiten Kongresstages bei der Congress-Party in einer Berliner Craft-Brauerei fort. Neben einer Brauereibesichtigung und Bier-Tastings, die dem Abend einen lehrreichen Charakter verliehen, stand vor allem der persönliche Austausch im Mittelpunkt – sei es in entspannter Atmosphäre bei einem Getränk oder tanzend zur Musik des DJs.
Horatio Fellowship Award 2025

Dr. Páll Biering
Der Horatio Fellowship Award ist eine Auszeichnung für herausragende Leistungen in der psychiatrischen Pflege. Er wird an Personen verliehen, die sich besonders für die Anerkennung und Weiterentwicklung der psychiatrischen Pflegeberufe in Europa engagieren. In diesem Jahr erhielt Dr. Páll Biering aus Island die Ehrung. In seiner Laudatio, die Prof. Gisli Kort Kristofersson hielt, wurde betont, wie Dr. Biering mit seinem Einsatz für evidenzbasierte Pflegepraxis und seinen Beiträgen zur Pflegeforschung maßgeblich zur Weiterentwicklung des Fachgebiets beigetragen hat.
Horatio 2026 – Wo geht die Reise hin?
Mit großer Spannung wurde die Bekanntgabe des Ausrichters für den Horatio Kongress 2026 erwartet, die in Form eines Videos erfolgte: Der Kongress wird vom 28. bis 29. Mai in Mechelen, nahe Brüssel, stattfinden. Die Freude der belgischen Kolleg:innen war groß und ansteckend: „Wir sehen uns in Mechelen!“
- Dr. Kirsten Kappert-Gonther
- Vorstand von Horatio & DFPP
- DFPP Vorstand auf dem Horatio Kongress
- Horatio Fellowship Award 2025
- Dr. Páll Biering
- Prof. David Richards
- Prof. Ralph Möhler
- Networking